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Der kleine Tiff

Ein besonderer Dank gilt dem unbekannten Autor dieser schönen Geschichten.

Der kleine Tiff :-) - Highslide JS
Der kleine Tiff :-)
© Michael Murr
mehr Details: hier
© Michael Murr
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Acht schöne Kurzgeschichten rund um die Erlebnisse der drei Freunde Tiff, Bümp und Raw mit der lebenden Göttin Kumari.

Inhalt:


1. Tiff, Bümp und Raw bewundern ein prachtvoll geschnitztes Haus

Das rothaarige Mädchen und der lustige Junge liefen geradewegs auf das prachtvoll geschnitzte Holzhaus zu. Tiff, Bümp und Raw bewunderten die Dachverzierungen, die aus vielen kleinen Streben bestanden, um das leicht vorspringende Dach zu stützen. „Seht mal“, bemerkte Raw, „die Dachstreben sind gar keine gewöhnlichen Balken, jede einzelne ist eine Figur, und jede Figur ist anders geschnitzt.“ Bümp und Tiff schauten mit offenem Mund dem Dach entlang und Tiff rief aus: „Dort sitzt sogar ein richtiger Drache!“ Das rothaarige Mädchen und der lustige Junge standen nun vor der Eingangstüre des Hauses. Sie mussten sich tief bücken, um einzutreten, denn die Türe war sehr klein.

Als sie durch die Türe hindurch geschlüpft waren, erkannte Tiff sofort, dass sie sich nicht in einem normalen Haus befanden. Das Haus war nicht überdacht und geschlossen, so wie bei dem rothaarigen Mädchen und dem lustigen Jungen Zuhause. Nein, es war mehr ein rechteckiger, breiter Gang mit einem schmalen Dach. In der Mitte dieses Rechtecks befand sich ein offener Hof. Die Freunde standen nun in diesem Hof, der zum Zentrum hin mit einigen steinernen Treppenstufen in den Boden hinein versenkt war.

Raw schaute sich um und fragte: „Was machen denn all die Leute hier im Hof?“ Bümp, der die vielen Menschen im Innenhof ebenfalls bemerkt hatte, ergänzte: „Und warum starren sie alle zu diesem einen Fenster hoch?“ Doch auch Tiff konnte sich all dies nicht erklären. Inzwischen hatten sich das rothaarige Mädchen und der lustige Junge auf eine der steinernen Treppenstufen gesetzt und starrten, genau wie die anderen Menschen, zu dem einen Fenster hoch. Tiff, Bümp und Raw nutzten die Gelegenheit, und schauten sich in dem Innenhof etwas um. Alle Fenster waren sehr kunstvoll geschnitzt, aber das eine, welches von den Menschen genau betrachtet wurde, war besonders groß und stand etwas von der Wand ab, wie ein kleiner, überdachter Balkon.

„Vielleicht ist das Fenster besonders wichtig für die Menschen, „versuchte Bümp zu erklären.“ – „Ich glaube nicht“, entgegnete Raw, die die Menschen ganz genau beobachtete, „ich glaube, es geht gar nicht um das Fenster an sich. Ich vermute, sie warten auf etwas, was sich in dem Fenster ereignen wird.“ Bümp und Raw schauten sich um. Ja, nun hatten sie auch diesen Eindruck. Die Menschen warteten auf etwas.

Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. „Da“, flüsterte Tiff, „ein Schatten hinter dem Fenster“. Die Menschen wurden unruhig. Da erschien ein älterer Mann am Fenster und redete zu den Menschen. Einige antworteten, einige schauten auf die Uhr. Tiff, Bümp und Raw sahen, wie einige mit enttäuschten Gesichtern den Hof wieder verließen. Andere warteten noch eine Weile und schlüpften dann ebenfalls wieder durch die Türe hinaus. Nach kurzer Zeit war der Hof leer, nur das rothaarige Mädchen und der lustige Junge saßen noch immer auf den Steinstufen und warteten geduldig. Tiff, Bümp und Raw beschlossen, sich neben sie zu setzen.

Eine ganze Weile saßen die fünf Gestalten nebeneinander aufgereiht auf der Steinstufe und warteten. Worauf, dass wussten Tiff, Bümp und Raw allerdings nicht. Tiff wurde langsam unruhig und sagte zu den anderen beiden: „Warum sitzen wir denn immer noch hier, warum sind wir nicht mit den anderen hinaus gegangen?“ Da sagte eine unbekannte Stimme neben seinem Ohr: „Weil man nicht immer alles glauben soll.“ Überrascht drehten die drei kleinen Freunde den Kopf. Neben ihnen saß eine junge Taube, die sich unbemerkt zu ihnen gesellt hatte. „Was soll man denn nicht glauben?“ fragte Tiff und die Taube antwortete: „Nun, was der Mann eben gesagt hat, nämlich, dass die Göttin heute nicht mehr erscheinen wird.“

„Die Göttin?“ fragte Raw aufgeregt, „welche Göttin?“ Die Taube gurrte vor Vergnügen und antwortete: „So was! Sitzen im Haus der Kumari und haben keine Ahnung! Welche Göttin! Na, die Kumari natürlich. Das ist ihr Haus.“ Tiff, Bümp und Raw schauten sich verwundert an. Nein, dass sie im Haus einer Göttin waren, hatten sie nicht gewusst und Raw sagte zu der Taube: „Wir sind fremd hier und wussten nichts von der Göttin. Wir hatten uns schon gewundert, warum die Menschen dauernd an dieses Fenster starren. Kannst Du uns von der Göttin erzählen?“ Die Taube fühlte sich geschmeichelt und erklärte: „Die Göttin, die in diesem Haus wohnt, wird von den Menschen Kumari genannt. Manchmal zeigt sie sich am Fenster und dies bedeutet großes Glück für all jene, die ihr in die Augen schauen. Deshalb warten die Menschen hier auf ihr Erscheinen. Die Göttin heißt aber eigentlich anders, ihr Name ist Taleju, und das erste Mal kam sie vor sehr langer Zeit in unsere Stadt. Es wird bestimmt noch eine Weile dauern, bis die Göttin sich vielleicht am Fenster zeigt. Wollt ihr inzwischen die Geschichte hören, wie Taleju in unsere Stadt Kathmandu kam?“

„Ja, ja, ja“ riefen die drei Freunde aufgeregt, „erzähle uns die Geschichte der Göttin Taleju!“

2. Tiff, Bümp und Raw hören die Geschichte der Göttin Taleju

Und so begann die Taube zu erzählen: „In einer längst vergangenen Zeit, als Nepal noch kein Staat war und Kathmandu eines von vielen Königreichen, da lebte einst ein König, der sehr mächtig war. Niemand wusste genau, woher er seine Kraft nahm, aber er hatte immer allen anderen Herrschern, die sein Reich angreifen wollten, getrotzt. Der König hatte eine Frau, die sehr eifersüchtig war, denn nachts schlich sich der König oft hinaus, in einen separaten Raum und kam lange nicht wieder…“

„ So was“, wunderte sich Raw, „warum machte er das?“ Die Taube nickt und antwortete: „Genau dies wollte die Königin auch gerne wissen. Also schlich sie ihm eines Abends nach, und was sie sah, erzürnte sie sehr.“

„Was denn, was denn?“ rief Tiff, „was hat sie gesehen?“ – „Nur nicht so ungeduldig“, beruhigte ihn die Taube, „das kommt ja jetzt gleich. Also die Königin schaute durch ein Fenster. Im Inneren des Raumes, der hell erleuchtet war, sah sie ihren Mann, den König, und eine wunderschöne, junge Frau, die sich über einen Tisch beugten und miteinander sprachen. Natürlich war die Königin eifersüchtig, zumal der König zu der späten Nachtzeit nicht den üblichen Hausmantel trug, sondern sein prächtigstes Regierungsgewand mit allen Insignien der Macht.“

„Das ist schon etwas seltsam“, warf Bümp ein, „ob es eine Verschwörung war? Vielleicht eine Königin von einem Nachbarreich, mit der er sich verbünden wollte?“ Die Taube nickte anerkennend: „Das wäre durchaus möglich, aber es war nicht so, nun hört weiter: Die Königin hörte, wie die beiden sprachen. Der König fragte die schöne junge Frau, was er gegen seine Feinde, die Könige von Lalitpur und den Herrscher des Ghorkhareiches unternehmen könne. Die schöne, junge Frau begann gerade zu antworten, dass die ersteren kein Problem werden würden, der zweite aber, …. und in diesem Moment stürmte die Königin in den Raum, die außer sich war vor Wut, dass ihr Mann Staatsangelegenheiten mit einer unbekannten, jungen Frau diskutierte. Sie schimpfte den König aus und warf ihm vor, dass man ihn ja keine Sekunde aus den Augen lassen könne. Der König wollte seine Frau beschwichtigen, aber sie war außer sich vor Wut.“

Die Taube machte eine kleine Verschnaufpause und Raw meinte: „Eigentlich kann ich das schon verstehen.“ Aber Tiff war anderer Meinung: „Sie hätte ja vielleicht erst einmal fragen können, worum es hier geht.“ Raw schüttelte den Kopf: „Nein, nein, das Benehmen des Königs ist schon ziemlich beleidigend für die Königin, mit einer jungen Frau so mitten in der Nacht.“ Bümp wollte aber nun wissen, wie es weiter ging und die Taube erzählte weiter:

„Die junge Frau, war nun ihrerseits beleidigt, dass die Königin ihr nicht vertraute. Sie rief gebieterisch: ‚Genug!’ und zeigte ihre wahre Gestalt: Sie richtete sich auf und aus ihrem Körper kamen zehn Arme, fünf zu jeder Seite. In jeder Hand trug sie ein Zeichen der Macht. Um ihre Hüfte trug sie einen Gürtel aus Schädeln und über ihrem Kopf erschienen drei weitere Köpfe – furchterregend aber schön – und noch zwei weitere zu jeder Seite. Ihre ganze Gestalt war umgeben von einer Aura aus Flammen. Erst jetzt erkannte die Königin, dass sie nicht einer normalen Frau, sondern der Göttin Taleju gegenüber stand, der furchterregenden Seite der Muttergöttin.

„Uiuiui“, warf Tiff ein, „das tönt nach Ärger.“ – „Und wie“, bestätigte die Taube, „denn die Göttin sagte: ‚Diese Beleidigung nehme ich nicht hin, es war das letzte Mal, dass ihr mich gesehen habt.’ Der König versuchte die Göttin zu beruhigen und schmeichelte ihr. Er fragte sie: ‚Aber wie soll ich mein Königreich ohne Dich regieren?!’ Und die Götting Taleju antwortet: ‚Gar nicht. Deine Regierungszeit wird kurz sein und das Ende deiner Dynastie ist nahe.’ Und mit diesen Worten verschwand sie.

Für einen Moment schwiegen alle betroffen. Das war ja gar nicht gut gelaufen für den König und die Königin. Dann fragte Raw: „Ja aber, du sagtest doch, dass die Kumari eigentlich Taleju heißt, oder?“ Die Taube nickte und antwortete: „Die Geschichte ist ja auch noch nicht zu Ende, hört also, wie sie weiterging…“

3. Die Taube erzählt Tiff, Bümp und Raw von der Göttin Kumari

Gespannt hörten die drei Freunde zu, wie die Taube weitererzählte: „Die Göttin Taleju war also verschwunden und kam auch nicht wieder. Der König verzweifelte langsam, denn er erkannte, dass er in der Vergangenheit sein Reich nur noch nach den Anweisungen der Göttin regiert hatte. Er hatte verlernt, sein Königreich selbst zu leiten. Er erkannte, dass er vollkommen abhängig von der Göttin war, die ihn nun verlassen hatte. Also begann er inständig zu ihr zu beten. Er ging jeden Tag in den Tempel und alle Priester waren nur damit beschäftigt, zu Taleju zu beten. Übrigens“, unterbrach sich die Taube selbst, „steht der Tempel noch heute, er ist gleich nebenan.“

Da hüpfte Tiff von seinem Platz hoch und sagte aufgeregt: „Da müssen wir hin, wir müssen den Tempel sehen, kommt!“ und schon wollte er zum Ausgang rennen. Aber Bümp hielt ihn am Schwanz fest und zog ihn zurück zu seinem Platz auf die Steinstufen. „Mann, bist Du chaotisch“, sagte Bümp zu Tiff, „jetzt setz dich wieder hin und wir hören erst die Geschichte zu Ende. Danach können wir immer noch den Tempel anschauen.“ Tiff setzte sich immer noch aufgeregt auf den Platz und keuchte: „Also, erst die Geschichte, aber nachher gehen wir zum Tempel, ok?“ Bümp verdrehte die Augen, aber die Taube erzählte gelassen weiter:

„Jeden Tag betete also der König zu Taleju, brachte ihr Opfergaben in den Tempel,…“ –„Was für welche?“ unterbrach Tiff schon wieder, „müssen wir da auch etwas mitbringen?“ Bümp seufzte, aber Raw hatte eine Idee: „Wir könnten doch Blumen bringen, oder?“ Das fand die Taube eine gute Idee: „Ja, Blumen sind sicher gut, das hatte der König damals auch gebracht. Wollt ihr jetzt die Geschichte weiterhören?“ Tiff nickte schuldbewusst mit dem Kopf und setzte sich ganz ruhig hin.

„Also“, fuhr die Taube fort, „jeden Tag, aber die Göttin Taleju kam nicht wieder. Eines Nachts, als der König die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, erschien die Göttin ihm in einem Traum. Sie sagte zu ihm: ’Wenn du mich wieder sehen möchtest, dann suche ein jungfräuliches Mädchen aus, sie soll sehr jung, schön und ohne Makel sein und 32 Zeichen von Perfektion aufweisen. Verehre sie so, wie du mich verehrt hast und in ihr werde ich dir erscheinen. Aber die Beleidigung werde ich nie vergessen.’ Diesen Traum erzählte der König den Priestern und diese zogen los, um ein geeignetes Mädchen zu finden.“

„Das ist aber schwierig“ warf Raw ein und die Taube bestätigte: „Ja und es ist noch schwieriger, weil das Mädchen aus einer ganz bestimmten Familie sein sollte. Die Priester brauchten lange, um ein Mädchen zu finden, schließlich gelang es ihnen aber doch. Das Mädchen war erst vier Jahre alt und wunderschön. Es wurde zum Tempel gebracht und dort verehrt, so wie die Göttin Taleju verehrt wurde. Kurze Zeit später baute der König ein Haus für das Mädchen und die Menschen begannen, das Mädchen als lebende Göttin zu verehren. Jedes Jahr während eines großes Festes, drückt das Mädchen, welches ja die Göttin Taleju selbst ist, dem König einen Punkt aus rotem Puder auf die Stirne – wir nennen ihn Tikka – und mit diesem Punkt gibt sie dem König den Segen für ein weiteres Regierungsjahr. Sobald das Mädchen beginnt, erwachsen zu werden, schlüpft es aus der Rolle der Göttin hinaus und ein neues, wieder ganz kleines Mädchen nimmt seinen Platz ein. Diese mädchenhafte Form der Göttin Taleju nennen wir ‚die jungfräuliche Göttin’. Na? Und wie heißt das in unserer Sprache?“ fragte die Taube und schaute die drei Freunde herausfordernd an.

Und Tiff, Bümp und Raw riefen wie aus einem Mund: „Kumari! Die Göttin Kumari!“ Und Tiff begann aufgeregt auf seinem Plätzchen hin und her zu rutschen und sagte: „Dann sitzen wir jetzt also im Haus der Göttin Kumari, die die Göttin Taleju ist. Und all diese Menschen zuvor warteten darauf, dass sie aus dem Fenster zum Hof schaut. Aber warum ist es denn so wichtig?“

Diese Frage verwirrte die Taube etwas: „Nun es bringt Glück, wenn die Kumari einen in die Augen schaut. Sie ist eine Göttin und mit ihrem Blick kann sie ein gutes Karma bescheren.“ Tiff, Bümp und Raw schauten sich etwas verwundert an und Raw fragte: „Karma? Was ist das?“ Die Taube antwortete wie selbstverständlich: „Nun eben Karma, fürs nächste Leben.“ Bümp runzelte die Stirne, er verstand zwar nicht, was die Taube damit sagen wollte, aber es blieb keine Zeit nachzufragen, denn hinter dem Fenster der Kumari bewegte sich ein Schatten…

4. Tiff klettert zum Fenster der Göttin Kumari

Äußerst gespannt blickten alle zu dem Fenster hoch, hinter dem der Schatten sich bewegt hatte. „War das jetzt die Göttin Kumari?“ fragte Raw und die Taube wiegte den Kopf hin und her und antwortete: „Gut möglich. Manchmal setzt sie sich hinter das Fenster und beobachtet durch das Gitter die Besucher im Hof. Sie kann alle sehen, aber wir können die Göttin nicht sehen.“ Tiff hatte eine Idee. Er sprang auf einen Balken, der dem Fenster gegenüber lag und begann heftig zu winken, dann rief er: „Haaaalo, Göttin Kumari! Hier sind wir. Wir möchten dich besuchen!“ Dann machte er einen doppelten Salto und landete wieder bei seinen Freunden. Die Taube wollte schon entrüstet mit Tiff schimpfen, dass man doch eine Göttin nicht so respektlos anreden dürfe und nicht einfach in ihrem Hof herumturnen dürfe. Aber da hörte man ein Rascheln, und im Fenster erschien eine Gestalt.

Fasziniert blickten alle zum Fenster. Da saß sie also, die Göttin.

„Sie ist ja noch ganz klein“, wisperte Raw. „Ja eben, ein kleines Mädchen“, bestätigte Bümp, aber habt ihr schon einmal ein Mädchen mit solch schwarzen Rändern um die Augen gesehen?“ Die Taube kicherte und klärte ihn auf: „Das ist Schminke. Aber schaut, die beiden Menschen, die ihr dabei habt, machen Namaste.“ – „Machen was?“ fragte Tiff. „Sie machen die Namaste-Geste, siehst Du“, sagte die Taube, „sie legen die Handflächen zusammen und verneigen sich vor der Göttin. Das sollten wir auch tun.“ Raw legte ihre Vorderpfötchen zusammen, Tiff seine kleinen Händchen, Bümp seine Flossen und die Taube ihre Flügel und alle vier verneigten sich vor der Göttin.

„So“, sagte Tiff, „und jetzt gehen wir mit der Göttin spielen“. Und schon war er die Fassade hinauf geklettert und saß auf dem Fensterbrett neben der Kumari. Die Taube war vor Schreck aufgeflattert und entrüstete sich fürchterlich. „So ein ungezogener Kerl, das ist aber typisch Affe. Nur weil er heilig ist, heißt das noch lange nicht, dass er sich alles erlauben kann!“ Raw und Bümp schauten sich fragend an. Heilig? Tiff?! Beide mussten kichern bei dem Gedanke und Raw flüsterte Bümp zu: „Die Taube redet aber wirres Zeug.“ Und während Bümp und Raw unten im Hof versuchten, die aufgebrachte Taube zu beruhigen, unterhielt sich Tiff auf dem Fensterbrett mit der Göttin Kumari.

„Wir haben deine Geschichte gehört“, sagte Tiff zu der Göttin, „die ist ganz schön spannend.“ Die Kumari nickte, streichelte Tiff über den Kopf und antwortete: „Danke, dass ihr mich besucht. Das ist mal etwas anderes, als immer die vielen Menschen, die mich nur anstarren.“ Tiff sah sie fragend an: „Kommen sie denn nicht zu dir, um mit dir zu reden?“ Die Kumari schüttelte den Kopf und entgegnete: „Das dürfen sie nicht, sie dürfen nur kurz zu mir kommen, wenn sie ein Problem haben. Dann tragen sie mir das Problem vor und dann gehen sie wieder.“ Tiff überlegte eine Weile und meinte dann: „Ist das nicht etwas langweilig?“ Die Kumari schüttelte den Kopf: „Nein, es ist nun mal so. Ansonsten kann ich ja meine Begleiter zum spielen herrufen. Sie kommen, wann immer ich will und sie spielen mit mir, was auch immer ich will.“ – „Du kannst ihnen alles befehlen?“ fragte Tiff. Und die Kumari antwortete: „Natürlich kann ich das, ich bin eine Göttin.“ Das fand Tiff ganz toll und er überlegte sich, dass er auch gerne ein Gott wäre. Das müsste eigentlich ziemlich Spaß machen. Dann schlug er vor: „Komm, wir könnten doch zusammen mit deinen Freunden im Hof herumrennen und fangen spielen, das fänden Bümp und Raw auch lustig.“ Aber die Kumari schüttelte den Kopf und antwortete: „Das geht nicht, dann muss ich ja den Boden berühren.“ Tiff verstand nicht ganz: „Natürlich musst du den Boden berühren, das tut man ja immer, wenn man läuft oder rennt.“ – „Eben“, antwortete die Kumari, „und das geht nicht, weil ich sonst unrein werde.“ Tiff war sehr erstaunt: „Du darfst den Boden nicht berühren? Aber wie kannst du denn draußen herumlaufen?“

Da hatte Tiff plötzlich den Eindruck, dass die Kumari etwas traurig wurde, als sie antwortete: „Ich gehe nie nach draußen. Ich bleibe immer hier in meinem Haus. Nur ein einziges Mal im Jahr, da werde ich auf einem Wagen durch die Stadt gezogen und die Menschen verehren mich.“ Tiff überlegte eine Weile. Nein, das würde keinen Spaß machen, immer in dem Haus zu sitzen, nie nach draußen zu gehen, und wenn, dann nur in einem Wagen. Er wollte nun doch lieber kein Gott sein. Aber um die Kumari nicht noch trauriger zu machen, antwortete er aufmunternd: „Das ist sicher ganz lustig, wenn man auf einem Wagen durch die Stadt fahren kann.“ Nun hellte sich die Stimme der Kumari wieder auf und sie antwortete: „Das ist wirklich lustig, weißt Du, morgen ist das große Fest, bei dem ich auf dem Wagen durch die Stadt fahre. Du und deine Freunde, ihr könntet doch mitkommen!“

Darauf freute sich Tiff und er verabredete sich mit der Kumari für den nächsten Morgen. Dann kletterte er hinunter, um Bümp und Raw von der Einladung zu erzählen.

5. Tiff, Bümp und Raw bestaunen den Wagen der Kumari

Als Tiff wieder im Hof bei seinen Freunden war, musste er erst einmal eine Schimpftirade der Taube über sich ergehen lassen: Dass man einer Göttin mehr Respekt entgegenbringen müsse, dass man ihr mit Hochachtung begegnen müsse, nicht in ihrem Haus herumturnen dürfe, und sie sicher nicht mit ‚hallo Göttin’ anspreche. Etwas zerknirscht war er schon ob so vieler Belehrungen, aber schließlich meinte er: „Die Göttin hat sich jedenfalls gefreut und hat uns eingeladen, auf ihrem Wagen durch die Stadt zu fahren.“

Da blieb der Taube erst einmal die Puste weg. „Echt?“ wisperte sie, „sie hat uns wirklich für die Prozession eingeladen?“ Raw und Bümp verstanden überhaupt nichts und Raw fragte: „Welcher Wagen und welche Prozession?“ Die Taube war ganz stolz und erklärte: „Einmal im Jahr gibt es in unserer Stadt ein großes Fest, das dauert mehrere Tage. Und am dritten Tag – das ist eben morgen – wird die Göttin Kumari auf ihren Prozessionswagen getragen und fährt mit ihm durch die ganze Stadt, sogar am Königspalast vorbei.“ Die vier Freunde machten ein Freudentänzchen und die Taube schlug vor: „Kommt, wir schauen uns den Wagen an. Er wurde sicher schon vor dem Haus zusammengebaut.“

Tiff, Bümp und Raw trippelten zu dem rothaarigen Mädchen und dem lustigen Jungen, die noch immer auf den Steinstufen im Innenhof des Hauses saßen, und zupften sie an den Ärmeln. Dann drehten sie sich nochmals zum Fenster der Kumari hoch und winkten zum Abschied und alle verließen das Haus. Die Taube flatterte voran und zeigte den Weg zum kleinen unterstand des Wagens. Tiff, Bümp und Raw mussten sehr aufmerksam sein, um die Taube im Gewühle der Menschen nicht zu verlieren. Schließlich hatten sie es aber geschafft und setzten sich zusammen mit dem rothaarigen Mädchen und dem lustigen Jungen auf eine Holzbank, die gerade neben dem Prozessionswagen der Kumari stand.

„Schaut mal“, rief Raw, „der Wagen ist ja mit richtigem Gold bemalt“. Und Bümp bemerkte: „Der Wagen sieht aus wie ein kleines Haus mit einem Dach.“ – „Ein Tempel“, korrigierte ihn die Taube, „seht ihr, wie das Dach über dem Thron mehrere Stockwerke hat, die nach oben immer kleiner werden?“ – die drei Freunde nickten eifrig – „das ist die Dachform eines Tempels. Und auf dem Thron sitzen dann morgen die Kumari.“

Soeben brachten einige Männer viele Gräser und Blumen, die sie am Dach über dem Thron befestigten. Sie schmückten den Wagen mit roten und goldenen Tüchern. Tiff, Bümp und Raw freuten sich sehr auf den nächsten Tag, aber nun waren sie sehr müde. Sie hatten so viel erlebt heute, dass ihnen bereits die Augen zu fielen. Raw kuschelte sich als erste wieder in die Tasche des rothaarigen Mädchens und Bümp legte sich bald dazu.

Als das rothaarige Mädchen und der lustige Junge aufstanden, verabschiedete sich Tiff von der Taube und setzte sich ebenfalls in die Tasche. Obwohl er sehr müde war, versuchte er sich den Weg zu merken, denn das rothaarige Mädchen und der lustige Junge nun gingen: Durch verwinkelte Gässchen, zwischen den Menschenmengen hindurch. ‚Oje’, dachte er bei sich, ‚das werde ich morgen ja nie finden’. Dann schlief auch er langsam ein.

6. Tiff, Bümp und Raw verstecken sich unter dem Thron der Kumari

Als Tiff am nächsten Morgen aufwachte, war er sehr verwirrt. Alles erschien ihm fremd. Der Geruch des Raumes, die Geräusche – eigentlich mehr der Lärm, denn er hörte unendlich viele Menschenstimmen und Autohupen von draußen. Er rieb sich die Äuglein und schaute sich erst einmal um. Ah! Da saßen ja Bümp und Raw schon am Fenster. Raw fuchtelte wild mit den Pfötchen und versuchte Bümp etwas zu erklären. Tiff wurde neugierig und hüpfte zu ihnen.

Raw erzählte gerade: „Und dann lief da ein Mann durch die Gasse mit einem kleinen Glöckchen und bimmelte wie verrückt mit dem Glöckchen. Er rief immer die selben Worte; und dann kamen viele Frauen hier die Treppe herunter und die hatten alle rote Saris an und die schwatzten die ganze Zeit; und dann kam ein alter Mann, der zog von Hand einen Bretterwagen voller Früchte hinter sich her; und dann…“ – „Sag mal“, unterbrach Tiff, „wie lange sitzt Du eigentlich schon hier?“ Raw sagte hastig: „Noch nicht so lange“, und zupfte Bümp an der Flosse, „schau, jetzt kommt ein Motorrad, das ist schon das dritte und jedes Mal müssen sie die Spiegel einklappen, weil sie sonst nicht durch die enge Gasse kommen.“ Bümp verdrehte die Augen und flüsterte Tiff zu: „Seit drei Stunden! Kannst Du dir das vorstellen? Sie sitzt hier seit drei Stunden und beobachtet jede Kleinigkeit und ich muss mir nun alles anhören. Jedes Detail!“

Tiff hatte ganz andere Sorgen: „Wie kommen wir denn nun zu der Göttin Kumari? Sie hat uns doch auf ihren Wagen eingeladen.“ Aber Raw konnte ihn beruhigen: „Sie gehen alle da hin.“ Tiff war verwundert und fragte: „Woher willst Du das wissen?“ Und Raw sagte stolz: „Siehst Du, ich beobachte halt genau: Die Menschen laufen alle in die selbe Richtung, siehst Du dort und da drüben. Sie wollen alle da runter. Und der Hund hat es mir bestätigt.“ – „Welcher Hund?“ fragte Tiff, der immer noch etwas verschlafen war. „Na der Hund“, antwortete Raw, „der unter dem Fenster geschlafen hatte. Ihr habt beide noch geschlafen, aber ich war schon wach und habe ihn gefragt, wo all die Menschen hingehen. Und er sagte, dass sie heute alle gehen, um die Kumari zu bestaunen.“

Während die drei Freunde so auf der Fensterbrüstung saßen und das Treiben in den engen Gassen der Stadt beobachteten, legte das rothaarige Mädchen die Tasche bereit. Der lustige Junge und das rothaarige Mädchen würden jetzt also in die Stadt gehen. Ob sie wohl auch zum Wagen der Kumari laufen würden? Tiff, Bümp und Raw beschlossen, es darauf ankommen zu lassen und setzten sich in die Tasche.

Immer dichter wurde das Gedränge in den Straßen. Manchmal konnte man sich kaum vorwärts bewegen. Aber schließlich erkannte Tiff das haus wieder, in dem sie am letzten Tag die Göttin Kumari getroffen hatten. „Wir sind hier!“ rief er und die drei Freunde kletterten aus der Tasche. Da war der Wagen. Heute war er noch viel prächtiger geschmückt mit vielen goldenen und roten Tüchern und Girlanden auf dem Thron. Die Göttin saß noch nicht auf ihrem Thron und Tiff hatte eine Idee: „Kommt“, sagte er, „wir verstecken uns unter dem Thron hinter den Tüchern. Und wenn die Kumari dann kommt, überraschen wir sie.“ Also kletterten die drei auf den Wagen und warteten gespannt auf die Ankunft der Göttin.

7. Tiff, Bümp und Raw empfangen die Kumari auf ihrem Wagen

Von ihrem Versteck unter dem Thron der Kumari konnten Tiff, Bümp und Raw die Menschen beobachten. Raw bemerkte, wie das rothaarige Mädchen ihr verstohlen zuwinkte, und Tiff beobachtete, wie die Menschen sich immer dichter auf einer großen Treppe zusammendrängten, weil man von oben am meisten sehen konnte. Bümp nahm derweil die Wachen in Augenschein, die dafür sorgten, dass die Menschen dem Wagen der Göttin nicht zu nahe kamen.

Plötzlich ging ein aufgeregtes Murmeln durch die Menge. Die Türe zum ‚Kumari Che’ – zum Haus der Göttin Kumari – hatte sich geöffnet. Nun trat eine Gestalt in den Türrahmen und die Menschen begannen zu jubeln. Da saß sie, die kleine Göttin, auf den Schultern eines Mannes. Langsam trug der Mann das kleine Mädchen an den Menschen vorbei und der kurze Weg von der Türe zum Wagen, kam Tiff wie eine Ewigkeit vor. Raw flüsterte: „Wie schön sie heute ist. Sie sieht gar nicht wie ein kleines Mädchen aus, nicht war.“ Und Bümp antwortete: „Und es liegt nicht an der Schminke. Auch wenn sie nicht dieses rote Zeichen auf der Stirne hätte, irgendwie wirkt sie heute anders.“ Die drei Freunde waren fasziniert und sie waren sich einig, dass dieses Mädchen kein gewöhnliches Mädchen war.

Mittlerweile war der Mann mit der Göttin auf dem Arm beim Wagen angekommen und setzte sie auf ihren Thron. Danach kletterten weitere Leute auf den Wagen, darunter auch ein kleiner Junge, der fast gleich gekleidet und geschminkt war, wie die Göttin. Die Göttin hatte eine verzierte, goldene Krone auf dem Kopf, die viel zu schwer war für sie. Deshalb setzte sich einer der Männer hinter ihren Thron und hielt die Krone hoch, sodass sie nicht auf den Kopf des kleinen Mädchens drückte.

Tiff, Bümp und Raw krochen aus ihrem Versteck hervor und Tiff zupfte die Kumari am Gewand. Würdevoll drehte das kleine Mädchen den Kopf und als es die drei erkannte, sprach es: „Schön, dass ihr gekommen seid, setzt Euch auf die Armlehne, da könnt ihr mehr sehen.“ Dann erhob die Göttin ihr Haupt wieder und starrte in die Menge, um eine Sekunde später zwischen den Zähnen hindurch zu zischen: „Und macht ja keine Faxen, sonst muss ich lachen und ich soll nicht lachen!“ Tiff kicherte – ja das war seine Kumari – und die drei Freunde machten es sich auf der Armlehne bequem.

Die Göttin entschuldigte sich bei ihnen: „Ich kann leider nicht so viel schwatzen, ich muss nämlich still da sitzen, wisst ihr.“ Tiff verstand das nicht ganz und warf ein: „Aber das hört doch keiner bei dem Lärm!“ Nun musste die Göttin doch kichern, und die Menschenmenge reagierte mit verwundertem Murmeln. „Siehst Du“, antwortete sie fast ohne den Mund zu bewegen, „sie hören es nicht, aber sie können es sehen. Und wenn ich nicht sitze, wie es sich gehört, werden sie unruhig. Aber ihr könnt mit Ganesh schwatzen.“ Tiff, der das kleine Mädchen eigentlich nicht noch mehr von ihrer anstrengenden Rolle als stille, würdevolle Göttin ablenken wollte, wagte noch eine Frage: „Wer ist Ganesh?“ Die Göttin hob erstaunt die Augenbrauen und drehte sich ungläubig zu Tiff um: „Du weißt nicht, wer Ganesh ist? Na der Junge mit dem roten Gewand und dem roten Zeichen auf der Stirn!“

Wieder kam große Hektik in der Menschenmenge auf und die Göttin konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Sie sagte: „Jetzt muss ich aber still halten, sonst werden sie den Wagen nie in Bewegung setzen.“ Und das kleine Mädchen setzte sich kerzengerade auf seinen Thron und richtete seinen Blick verträumt und bestimmt nach vorne. Tiff, Bümp und Raw sahen die Göttin bewundernd an – da war sie wieder, diese Ausstrahlung, diese Würde. Die drei Freunde waren sich einig, dass sie die Göttin nicht mehr bei ihrer Arbeit des richtig Sitzens stören wollten.

Plötzlich setzte sich der Wagen mit einem Ruck in Bewegung; die Prozession der Göttin Kumari hatte begonnen. Und Tiff beschloss, sich auf dem Wagen nach den kleinen Jungen Ganesh umzuschauen.

8. Tiff, Bümp und Raw schwatzen mit Ganesh

Es war nicht sehr schwierig Ganesh zu finden, schließlich war er der einzige Junge mit einem roten Zeichen auf der Stirne, genau wie es die Kumari selbst trug. Und Ganesh selbst hatte Tiff, Bümp und Raw bereits bemerkt und war von sich aus neugierig. Schon setzte er sich neben den Thron der Kumari und begann die drei Freunde auszufragen, woher sie kämen, wie sie auf den Wagen der Kumari gekommen seien und was sie hier in Nepal tun würden. Ganesh war ein sehr redseliger Junge und plapperte ununterbrochen vor sich her, ohne dass Tiff, Bümp und Raw ihm überhaupt irgendwelche Fragen stellen mussten. Seltsamerweise wusste Ganesh immer genau, was die drei Freunde nun besonders interessierte, oder was einer von ihnen im nächsten Augenblick hätte fragen wollen. Es war wie verhext. Im Grunde war es das aber nicht, denn Ganesh war ja selbst ein Gott, nur wussten das die drei Freunde zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und er hatte die Gabe Gedanken lesen zu können, wodurch er eben wusste, was die drei gerade interessierte.

Soeben wurde der Wagen der Kumari zwischen den Menschenmengen hindurch an einem erhöhten Balkon vorbei gezogen, auf dem einige Menschen standen. „Das“, erklärte Ganesh, „sind der König und die Königin von Nepal mit ihrem Hofstaat. Jedes Jahr zieht die Prozession der Kumari an ihrem Balkon vorbei, um den König zu grüßen. Seht ihr den kleinen roten Punkt auf der Stirne des Königs?“ Tiff, Bümp und Raw nickten und Ganesh fuhr fort: „Das ist das Tika, das die Kumari dem König auf die Stirn drückt.“ Raw holte Luft für eine Frage, aber Ganesh erklärte bereits zu ihr gewandt: „Ein Tika ist eine Art Segen, den jemand jemand anderem mitgibt und dieser Segen bleibt dann für eine Weile auf der Stirne sichtbar in Form eines roten Punktes. Siehst Du die Frauen in der Menge?“ Raw und auch Bümp und Tiff schauten sich um und Ganesh fuhr fort: „Die meisten haben einen kleinen roten Punkt auf der Stirne oder eine kleines Schmuckstück, es bedeutet, dass sie verheiratet sind und somit einen speziellen Segen erhalten haben.“

„Wie die grüne Kette es erzählt hat!“ rief Raw aus. „Welche grüne Kette?“ fragte Ganesh, um sofort anzufügen: „Ach so, ja , sie hatte natürlich recht. Hier gibt es viele grüne Ketten, „ und nun wieder das Thema wechselnd, „dem König darf alleine die Kumari ein Tika geben. Tiff, Bümp und Raw schwirrte schon der Kopf von dem vielen Geplapper des Jungen, da sagte Ganesh unvermittelt: „Dieses rothaarige Mädchen und der lustige Junge, sie möchten aufbrechen.“

Tiff, Bümp und Raw hatten sich noch nicht ganz an die eigenartige Fähigkeit von Ganesh gewöhnt. Woher kannte er das rothaarige Mädchen und den lustigen Jungen und woher wusste er, dass sie aufbrechen wollten, und wohin? „In den Osten“, antwortete Ganesh, der die Frage natürlich erahnt hatte. „Sie wollen in den Osten wandern.“ Tiff schaute sich um und tatsächlich kämpften sich nicht weit von Wagen der Kumari entfernt das rothaarige Mädchen und der lustige Junge durch die Menschenmassen, um den Wagen nicht aus dem Augen zu verlieren. Das rothaarige Mädchen winkte den drei Freunden zu und Tiff sagte: „Ich glaube wirklich, sie möchten, dass wir mitkommen. Sollen wir?“ Und Ganesh meinte: „Es ist sehr schön durch Nepal zu wandern, viele Menschen tun dies. Einige tun es nur, um die Berge zu sehen. Ich weiß, dass ihr wisst, dass hier der höchste Berg der Welt steht. Andere tun es, um die Kultur der Menschen kennen zu lernen. Ja, es könnte sehr lustig werden. Geht doch mit, das ist bestimmt lustig.“

Nun sagte die Kumari, die die ganze Zeit über still auf ihrem Thron gesessen hatte, leise: „Wenn ich durch das Land wandern dürfte, würde ich es sofort tun. Kommt doch danach zu mir zurück und erzählt mir, wie es war.“ Oh ja, das wollten die drei Freunde tun. Also verabschiedeten sie sich von der Kumari und von Ganesh und sprangen zwischen den Beinen der Menschenmenge hindurch zum rothaarigen Mädchen und dem lustigen Jungen. Es war nicht ganz ungefährlichen, fast wären sie getrennt worden und Tiff, dem eine Frau auf den Schwanz getreten war, beschloss den Weg über den Köpfen zu nehmen. Das fanden die Menschen zwar nicht so lustig, sie versuchten ihn einzufangen. Aber Tiff war sehr geschickt und hüpfte von Kopf zu Kopf und lenkte so die Aufmerksamkeit auf sich, wodurch Bümp und Raw auf dem Boden viel leichter vorwärts kamen. Schließlich trafen sie sich alle am Rande der Menschenmenge mit dem rothaarigen Mädchen und dem lustigen Jungen. Nachdem sich die drei Freunde in die Tasche des rothaarigen Mädchens gekuschelt hatten, waren sie sehr gespannt, wohin die Reise gehen würde. Auf jeden Fall nach Osten…