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Legenden und Geschichten um die Kumari-Tradition

Um die Kumari-Tradition und deren Entstehung ranken sich viele Legenden und Erzählungen. Diese Seite soll eine Sammlung dieser Legenden sein und auch weiter vervollständigt werden.

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Göttin Durga
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Legenden


Geschichten



Das Mädchen, das nie ein Spiel verlor.

Als König Prakash Malla eines Tages durch seinen Palast ging, entdeckte er ein Mädchen, das mit seinen Freunden Tripasa* spielte. Er beobachtete sie eine Weile und stellte fest, dass sie immer gewann. Da er Meister im Passa-Spiel war, lud er sie mehrfach auf eine Partie ein. Doch auch er hatte nie eine Chance, gegen sie zu gewinnen. Nach einer Weile fühlte sich der König so sehr zu ihr hingezogen, dass er sie in seine privaten Gemächer einlud. Dort versuchte er, das Mädchen zu verführen.
Das Mädchen wurde daraufhin so wütend, dass Flammen aus ihren Augen schlugen. Da verstand der König erst, dass er in Wirklichkeit die Göttin Kali** vor sich hatte. Sie schrie und tobte und drohte, seinen Palast zu zerstören. Dann verschwand sie vor seinen Augen.
Einige Zeit später erschien ihm die Göttin im Traum und sagte: "Ich gebe dir eine Chance, dein schlechtes Verhalten wieder gut zu machen. Du wirst eine Jungfrau auswählen, die in einem Tempel verehrt werden soll. Wenn sie ihre erste Periode bekommt wird sie wieder ein normales Mädchen sein, und du musst die nächste Inkarnation finden." Der König stimmte erleichtert zu, und ließ sofort das Kumari Bahal bauen.

* Tripasa ist eine Art Würfelspiel. In manchen Varianten dieser Legende ist allerdings auch von einer Art Schachspiel die Rede. Damit könnte das Spiel "Bagh Chal" (Tigersprung), ein altes nepalesisches Strategiespiel, gemeint sein.
** Durga, Kali, Taleju: Durga ist die Frau des Gottes Shiva und erscheint in verschiedenen göttlichen Formen (gütig und furchtbar). Zwei ihrer stärksten Formen sind Durga (Göttin der Vollkommenheit) und Kali (Göttin der Zerstörung). Durga hat zehn Hände und viel Kraft und Energie (Shakti) und reitet auf einem Löwen. Der Göttin Kali wurden noch vor wenigen Jahrzehnten in Indien Menschenopfer dargebracht.



Die eifersüchtige Königin.

Es war spät in der Nacht, und der alte Ziegelpalast im Zentrum von Kathmandu mit den vielen Höfen, seinen kunstvoll verzierten Holzfenstern und den Pagodentürmen lag in Dunkelheit gehüllt. Die Höflinge, Gefolgsleute und Frauen des Königs sind längst zu Bett gegangen und nur die müden Wachen gingen ihre Patrouillen. In einem der Räume sah man in einem schwachen Lichtschein zwei Schatten, über ein Spielbrett gebeugt würfeln.
Der eine Schatten gehörte einer ungewöhnlich schönen jungen Frau. Selbst der unaufmerksamste Beobachter sollte erkennen, dass sie nicht nur zu schön für eine gewöhnliche Frau war, sondern auch ein auffälliges, durchdringendes drittes Auge in der Mitte ihrer Stirn trug. Dass sie 10 Arme hatte, war nicht zu erkennen, da sie diese nur zeigte, wenn nötig. Sie trug große goldene Ohrringe und eine goldene Krone. Um ihren Kopf war ein schwacher Schein zu sehen.
Der andere Schatten war der des Königs. Obwohl man es zu dieser späten Stunde nicht erwartet hätte, trug er sein königliches Gewand mit Krone, Pfauenfeder und allem Schmuck.
Während sie würfelten, sprachen sie leise und in königlicher Würde miteinander. Zwischen ihnen herrschte eine enge Vertrautheit, wie bei einer schon lange andauernden Bekanntschaft.
Voller Hoffnung und in Erwartung einer Antwort blickt der König auf die junge Frau und fragt: "Wie soll ich mich gegenüber den unruhigen Pradhans von Lalitpur verhalten? Und was mache ich gegen Ghorkha Raja, der damit droht, jedes Königreich, das ihm im Weg steht, einzunehmen?"
"Bezüglich der ersten Frage", sie unterbrach, um zu würfeln und schien zufrieden mit dem Ergebnis, "sie stellen nur eine geringe Bedrohung dar. Sie sollten mit wohlwollen behandelt werden, um sie nicht zu sehr abzuschrecken. Aber wegen der zweiten Frage ..."
Sie hatte keine Chance mehr den Satz zu beenden, denn im selben Augenblick hastete die Königin in ihrem Nachtgewand, begleitet von einigen bewaffneten Wachen, in den Raum.
"So, hier finde ich Dich also. Staatsangelegenheiten diskutieren mit einer schönen jungen Frau!"
"Aber meine liebe ..." versuchte der König zu erklären.
"Ich traue Dir nicht! Geh mir aus dem Weg!"
"Genug jetzt!" rief die junge Frau mit erhobener Stimme, und erschreckend, als sie ihre wahre Gestalt zeigte und ihre zehn Arme wie Flügel ausbreitete. In acht ihrer zehn Hände hielt sie jeweils ein Zeichen ihrer Macht. Um ihre Hüften trug sie einen Gürtel von männlichen Totenköpfen und war umgeben von einer flammenden Aura. Drei weitere hübsche Gesichter erschienen, eines über dem ersten und je eines auf jeder Seite. König und Königin wichen ehrfürchtig zurück während die Wachen sprachlos ihre Waffen fallen ließen. "Dass du so etwas von mir denkst! Ich dulde solche menschlichen Schwächen wie Eifersucht nicht. Ihr habt mich zum letzten Mal gesehen."
Tympanon des Goldenen Tores am Königspalast in Bhaktapur, Nepal. Taleju in der Mitte - Highslide JS
Tympanon des Goldenen Tores am Königspalast in Bhaktapur, Nepal. Taleju in der Mitte
Till Niermann
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Quelle: WikiMedia Commons
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"Aber wie kann ich ohne Dich mein Reich regieren?", erwiderte der König.
"Du kannst es nicht. Deine Herrschaft wird kurz sein und das Ende deiner Dynastie ist nahe." Und mit diesen Worten verschwand die Göttin, die von der Königin in ihrer Eifersucht nicht als die Göttin Taleju, die Schutzheilige der Könige von Nepal, erkannt wurde.
"Sieh, was du mit deiner Schnüffelei und Eifersucht angerichtet hast!" sagte der König.
"Woher sollte ich denn wissen?"
"Hättest du dich um deine Angelegenheiten gekümmert und mich meine Aufgaben erledigen lassen!"
Der König war inzwischen so abhängig vom Rat der Göttin geworden, dass er ohne sie nicht mehr fähig war, sein Reich zu regieren. Den ganzen nächsten Tag brachte er Opfergaben dar und ließ die Brahmins in der großen dreistöckigen Pagode, zu der nur er und die Priester Zutritt hatten, nicht zur Ruhe kommen.
Seine Gebete wurden erhört und in der folgenden Nacht erschien ihm die Göttin nochmals im Traum.
"Wenn du wünschst mich wieder zu sehen, wähle ein jungfräuliches Mädchen aus der Shakya-Kaste, schön, makellos und mit den 32 Merkmalen der Perfektion. Bete zu ihr, wie du zu mir betest. In ihr werde ich dir erscheinen. Aber nie werde ich die Beleidigung vergessen, welche mir widerfahren ist."
Nachdem er mit seinen Priestern gesprochen hat, erfüllte der König ihre Bitte. Ein vierjähriges Mädchen aus der Newar-Shakya-Kaste, das alle Kriterien erfüllte, wurde gefunden. Sie wurde zum Taleju-Tempel gebracht und zur lebenden Verkörperung der Göttin ernannt. Der König betete zu ihr und das Volk verehrte sie bei großen Festen. Kurz darauf wurde ein kleiner reich verzierter Palast mit Tempel gegenüber dem Königspalast erbaut, in dem sie leben sollte. Einmal im Jahr, während des großen Indra-Jatra-Festes, ging der König zu ihrem Tempel um ihren Segen in Form einer Tika, einem roten Zeichen auf seiner Stirn, zu empfangen.
Die als Kumari, jungfräuliche Göttin oder im Volk der Newar auch als Dyo Maiju bekannte Göttin wird, sobald sie die Pubertät erreicht, durch ein neues Mädchen aus der Shakya-Kaste ersetzt um ihre Reinheit und Makellosigkeit sicherzustellen. Und so geschieht es seit Jahrhunderten, über mehrere Dynastien und durch die Regierungszeiten vieler Könige bis heute.

Quelle: "From Goddess to Mortal" von Rashmila Shakya
Übersetzung ins Deutsche: Michael Murr
Ein besonderer Dank gilt Frau Rashmila Shakya und Herrn Scott Berry, die mir den englischen Text aus dem Buch "From Goddess to Mortal" freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben.



Die verbannte Kumari.

Einst soll es ein Mädchen gegeben haben, dass seine Milchzähne nicht verloren hat und keine Angst vor Dämonen hatte. Die Volksgruppe, aus der das Mädchen stammte, bezeichnete sie als "heilige Kumari" ("Kumari" nannte man ein unverheiratetes Mädchen). Der König war erzürnt über die Arroganz dieser kleinen Volksgruppe und befahl, das Mädchen aus dem Königreich zu verbannen.
Monate später wurde die Königin schwer krank und niemand konnte ihr helfen. Die Königin vermutete den Grund ihrer Krankheit darin, dass der König die Kumari ins Exil schickte. Daraufhin holte der König das Mädchen aus der Verbannung und stellte ihren Ruf wieder her. Kurze Zeit später war die Königin wieder gesund.
Seitdem wird die Kumari in Nepal als Inkarnation der "Taleju" verehrt.
Einmal jährlich, im September, besucht der König von Nepal die Göttin im "Kumari Bahal" um ihr seine Ehrerbietung zu erweisen. Danach wird sie in einer großen Prozession auf einem Wagen durch die Altstadt von Kathmandu gezogen um ihren Segen und ihren Schutz für das folgende Jahr zu erbitten.

Quelle: sougata-mallik.suite101.com/roaming-hand-in-hand-with-legend-a318998 (Link nicht mehr verfügbar)
Übersetzung ins Deutsche: Michael Murr



Tanz der Kumari

Ende November 2009 bin ich bei YouTube zufällig auf ein Video mit dem Namen "Kumari Dance" gestoßen. Bei meinen Recherchen fand ich dann eine weitere Legende, in der die Kumari-Tradition begründet sein könnte.


Der "Tanz der Kumari" ist einer der ältesten klassischen Tänze des Königreiches von Nepal.
Alte Aufzeichnungen belegen, dass Kathmandu (Kantipur) vor ca. 1000 Jahren von König Gunakama gegründet wurde. Während der Amtszeit von König Amar Malla wurde alle 12 Jahre an einem anderen Ort im Kathmandu-Tal ein Musik-Theater über "Swetakali" aufgeführt. Das Stück erzählt von Swetakali, der weißgekleideten Göttin Naradevi von Kathmandu, während die Musik von klassischen und populären Volksliedern Nepals abgeleitet ist.

In früheren Zeiten, als in Kathmandu das Matriarchat herrschte, wurde es von sieben Muttergöttinnen beschützt. Die Göttinnen waren Swetakali, Raktakali, Bhadrakali, Kankeswari und drei weitere, deren Namen ich noch nicht herausfinden konnte. Die Tempel dieser Göttinnen befanden sich entlang der Grenzen der Stadt. Sie werden als Khadga oder heilige Klinge dargestellt.

In dieser Zeit geschah es, dass die Stadt von Dämonen angegriffen wurde. Sie töteten die Einwohner und zerstörten ihren Besitz. Die Göttinnen konnten sie aber nicht im Kampf besiegen und mussten fliehen und sich verstecken.
Hier beginnt das Stück: Auf der Suche nach den Göttinnen kam der König der Dämonen, Chandrasur, auch bekannt als Mayurasur, zu einem Garten, in dem die Tochter von Swetakali gerade dabei war sich zu schminken. Die beiden tauschten flüchtige Blicke aus und verliebten sich ineinander. Als die Muttergöttinnen von der Liebe und deren Verhältnis erfuhren, wurden sie wütend und tadelten die Tochter. Nach einiger Diskussion schmiedeten sie einen Plan, in dem die Tochter dazu benutzt werden sollte, Chandrasur zu töten. Sie zeigten der Tochter das Leid und die Verwüstung, die Chandrasur anrichtete und sie beschloss dem Rat ihrer Mütter zu folgen. Schließlich versetzte sie ihm einen tödlichen Dolchstoß während er mit ihr in Ekstase tanzte und das ganze Land freute sich über den Sieg. Letztendlich machte die Tochter ihre Liebe unsterblich, indem sie beschloss für immer unverheiratet zu bleiben und somit zur Göttin Kumari zu werden.




Der pädophile König

Es soll einen pädophilen König gegeben haben, der Verkehr mit einem jungen Mädchen hatte, welches infolgedessen starb. Zur Buße begann er ein Mädchen als Göttin zu verehren.

Die Entstehung dieser Legende vermute ich eher in der Neuzeit und unter westlichen Einflüssen, da der Begriff "Pädophilie" (Paedophilia erotica) erstmals ende des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde.