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Mehr zur Kumari-Tradition

Blick auf den Kumari Bahal vom Durbar Square aus - Highslide JS
Blick auf den Kumari Bahal vom Durbar Square aus
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Blick auf den Kumari Bahal vom Basantapur aus. - Highslide JS
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Inhalt



Die Kumarimi - Die Chitaidar

Viele Leute widmen sich der Kumari. Diese Menschen werden Kumarimi genannt. Die Betreuerin der Kumari im Kumari Bahal wird Chitaidar (Patron) genannt. Ursprünglich handelte es sich dabei um eine alleinstehende Frau. Da aber die derzeitige Chitaidar verheiratet ist, wird auch Ihr Ehemann so genannt. Ihre Aufgabe ist sehr schwierig, da sie jeden Wunsch der Kumari erfüllen muss.
Ohne der Kumari direkte Anweisungen zu geben, muss die Chitaidar sie durch ihre religiösen Aufgaben führen und sie durchs Leben begleiten. Sie ist ebenfalls für das Waschen, die Kleidung und die Vorbereitung der Kumari auf Besucher und religiöse Zeremonien verantwortlich.
Auch der sehr begrenzte Kreis ihrer Spielkameraden muss lernen, die Kumari zu respektieren. Da ihr jeder Wunsch zu erfüllen ist, müssen sie lernen ihr alles zu geben und mit ihr alles zu tun, das die Kumari verlangt.



Der Kumari Bahal von Kathmandu - Das Haus der Göttin

Innenhof des Kumari Bahal - Fenster der Kumari - Highslide JS
Innenhof des Kumari Bahal - Fenster der Kumari
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Das Haus der "lebenden Göttin" Kumari ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt. Wahrend es von den Buddhisten als "Kumari Bahal" bezeichnet wird, nennen es die Hindus "Kumari Ghar". In der Volksgruppe der Newar, aus der die Kumari ausgewählt wird, wird es auch "Kumari Che" genannt. Mit "Kumari Chowk" ist eigentlich der Innenhof des Gebäudes gemeint. Der Begriff wird aber oft auch für den ganzen Komplex benutzt.
In Kathmandu befindet sich der Kumari Bahal am südlichen Ende des Durbar Square. Der Palast ist ein großes zweistöckiges Backsteingebäude mit einem Innenhof, das 1757 von König Jaya Prakash Malla erbaut wurde und für seine herrlichen Schnitzereien sowie seine göttliche Bewohnerin bekannt ist. 1966 wurde das Gebäude aufwendig renoviert. Im Buch "From Goddess to Mortal" wird auch ein zweiter Innenhof beschrieben, der aber von außen nicht einsehbar sein soll.



Das Leben im Kumari Bahal von Kathmandu

Traditionell erhält die Kumari keinerlei Schulbildung, da sie als allwissend betrachtet wird. Die heutige Zeit erfordert aber eine Ausbildung, um ins normale Leben zurückkehren zu können, weshalb der Kumari inzwischen Privatunterricht erteilt wird. Auch das Fernsehn hat im Palast Einzug gehalten, sodass die Göttin auch Filme und Nachrichten sehen kann.
Ob es inzwischen auch einen Internetanschluss dort gibt, konnte ich allerdings noch nicht herausfinden :-)



Übernatürliche Kräfte der Kumari

Ob die Kumari übernatürliche Kräfte besitzt, oder nicht, kann wohl keiner beantworten. Es gibt aber Vorfälle, die es vermuten lassen könnten.
  • Während einer Indra Jatra, Rashmila Shakya war amtierende Kumari, opferte ein Gläubiger ein Schaf. Obwohl es das Ritual vorschreibt, bestrich er nicht alle Räder des Wagens, auf welchem die Kumari durch die Stadt gefahren wird, mit dem Blut des Tieres. Später blieb der Wagen mit seinem mehrstöckigen Aufbau an einem über die Straße führenden Kabel hängen. Als der selbe Mann versuchte das Kabel zu entfernen, um den Wagen wieder freizubekommen, stürzte dieser von der dritten Ebene des Wagens. Sein Blut spritzte auf die übrigen Räder des Wagens und der Mann starb.

  • Ebenfalls während der Amtszeit von Rashmila Shakya geschah es, dass ein 6-jähriger, stummer Junge zu ihr kam. Nachdem er von Wasser getrunken hatte, das vorher über ihre Füße gegossen wurde, begann er kurzzeitig wieder zu sprechen.

  • Ein weiteres Ereignis während der Amtszeit von Rashmila Shakya gab es, als sich ein bluterbrechender Journalist wieder erholte, nachdem er um Vergebung bat. Der Journalist hatte zuvor einen Artikel über die Kumari veröffentlicht, in dem sein Bild über dem der Kumari abgedruckt war.

  • Während Amita's Amtszeit kam es am Tag des Fulpati-Festes zu einer Situation in der sich der König nicht der Tradition entsprechend verhielt. Anstatt sich, wie vorgesehen, zu verbeugen, winkte er der Kumari zu und auch die Kumari winkte dem König zu. Es entstand der Eindruck, dass sich die beiden voneinander verabschieden würden. Und tatsächlich: Es war die letzte Begegnung zwischen den beiden, denn am 01.06.2001 kam der König und seine Familie bei einer Schießerei ums Leben.


    Zitat aus dem Buch "Göttin auf Zeit" S. 253:
    "Der König blickt zur Mädchengöttin hinauf und statt sich vor ihr zu verbeugen, hebt er die rechte Hand und winkt ihr zu. Eine Geste, die in keinem protokollarischen Regelwerk vorgesehen und von keiner Tradition gedeckt ist. Alle Augen richten sich nun zum Kumari Bahal, und das ungeheuerliche wiederholt sich - auch die Dyo Maiju hebt kurz die Hand und winkt ihrem König zu."

    Am Tag nach der Schießerei - im Kumari Bahal
    Zitat aus dem Buch "Göttin auf Zeit" S. 279:
    "Noch einmal sieht sie Mousuf Sarkar ganz deutlich vor sich, wie er unterhalb des goldenen Fensters steht und ihr zuwinkt. Damals hatte sie Sorge, es könnte ein Abschiedswinken sein. Nun weiß sie, dass es ein Abschiedswinken war!"

  • Es wird berichtet, dass einst ein Repräsentant Nepals, der die Kumari zur Audienz aufsuchte, starb, als diese während der Audienz einschlief.

  • Mehrere Quellen besagen, dass es später zu Erbrechen und Blutungen führt, wenn man einer Kumari direkt in die Augen schaut.



Diskussion der Kumari-Tradition in Nepal

Im September 2002 nahm Bidya Bhandari während einer Pressekonferenz Stellung gegen die Kumari-Tradition. Sie plädierte dafür, die Kumari-Tradition abzuschaffen. "Es geht hier nicht nur um die Verletzung der Rechte des Kindes, sondern aller Frauen und damit um Menschenrechtsverletzung!", so Bhandari. "Das Mädchen wird von der normalen Gesellschaft isoliert und zu Beginn der Pubertät wieder entlassen. Es entsteht nicht nur ein Trauma, sondern ein schwerer psychologischer Schaden, wenn das Kind gezwungen wird zwischen diesen beiden Welten zu wechseln."

Ganz so einfach ist das nicht. Man kann eine Tradition, die auf Jahrhunderte altem Glauben aufbaut nicht einfach so abschaffen. "Es gibt Dinge, die über das menschliche Verständnis hinausgehen.", so Ramesh Prasad Pandey, ein 72 Jahre alter Priester, der die letzten 3 Auswahlverfahren der Kumari beaufsichtigt hatte. "Ich kann einen Stein auf den Tisch legen, und wenn ich das Heilige in ihm sehe, dann wird es ein heiliger Stein. Sie aber werden nur einen einfachen Stein sehen. Genau so ist es mit der Kumari. Es ist eine Frage des Glaubens."

Sapana Pradhan Malla, Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin, bestätigt, dass die Kumari-Tradition zu sehr mit der nepalesischen Kultur verwachsen ist, um sie einfach abzuschaffen. Stattdessen müssen Veränderungen vorgenommen werden. Sie schlägt vor: "Die Kumari muss Gelegenheit haben sich zu Entwickeln und muss eine Schulausbildung erhalten. Sie muss auch nach ihrer göttlichen Aufgabe weiter betreut werden. Es liegt in der Verantwortung des Staats, ihre Rechte zu wahren."
Der Staat zahlt seinen Ex-Kumaris eine lebenslange Rente von 3.000 Rupien (ca. 30 Euro) monatlich. Dies ist aber auch für nepalesische Verhältnisse nicht besonders viel.



Die Kumari-Tradition aus Sicht der westlichen Welt

All das klingt für uns fremdartig und mysteriös. Das fehlende Verständnis und die oft mangelnde Akzeptanz fremder Kulturen sind vermutlich der Grund dafür, dass man in der westlichen Welt eher negatives in der Kumari-Tradition sieht. Wer sich aber ernsthaft mit dem Thema beschäftigt und die Argumentationen der "sich Experten nennenden" hinterfragt und überprüft, wird recht schnell feststellen, dass vieles nur Propaganda ist.
Im Netz findet man in Verbindung mit der Kumari-Tradition alles von der "geraubten" Kindheit über grausame Rituale bis hin zu sexuellem Missbrauch, was sich aber oft als schlichte Unwahrheit, oder als einfach schlecht recherchiert herausstellt.

Dass Menschen aus der westlichen Welt fast immer mit unglaublichem Kopfschütteln reagieren, wenn sie hören, wie die kleinen Mädchen jahrelang leben, können die Nepalesen nicht verstehen. Während man bei uns von "gestohlener Kindheit" spricht, sehen es die Nepalesen doch eher als Privileg. Die "Experten", die mit einer psychologischen Traumatisierung der Kumari argumentieren, weil sie nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwächst, sondern stattdessen bei "Pflegeeltern" im Kumari Bahal, sollten bedenken: Allein in Deutschland werden täglich 77 Kinder auf behördliche Anordnung aus ihren Familien genommen und in Pflegefamilien untergebracht und damit doch ebenfalls psychologisch Traumatisiert.

Einheimische sind inzwischen verärgert über die dauernden Vorwürfe des Westens, dass die Kumari unterdrückt werde und teils sogar von Missbrauch die Rede ist. In einer englischen Zeitung erschien am 23 Juni 2001 sogar die Schlagzeile "Calls to kill off living goddess", zu deutsch: "Aufruf, die lebende Göttin zu vernichten".



Literatur




Quelle: u. a.:
http://archive.nepalitimes.com/issue/215/Culture/10019#.W7NXpegzbb0
http://haydneverest.blogspot.com/2008/11/from-goddess-to-mortal.html
http://www.kantipuronline.com/kolnews.php?&nid=112555 (Link nicht mehr verfügbar)
http://abcnews.go.com/Travel/Weather/Story?id=5278164&page=4 (Link nicht mehr verfügbar)